Deutschland – Von Preussen bis zur Einheit


Ein Fehler ist schon mal die Verallgemeinerung der Deutschen als solche. Hier gibt es allerdings nach wie vor Unterschiede nicht nur zwischen Ost- und Westdeutschen und die auch nicht erst mit der DDR begannen, sondern viel weiter zurück liegen. Deutschland besteht aus einer Reihe deutschsprachiger Völker, die sich auf mehrere frühere germanische Stämme begründen. Allerdings spielen die geschichtlichen Aspekte des Altertums und des Mittelalters heute eine eher nachgeordnete Rolle, wirken allerdings noch relativ deutlich nach.

Wirklich interessant wird es mit der preussischen Geschichte. Preussen ging aus dem früheren Fürstentum Brandenburg hervor, dessen Führung sich nach einer vernichtend verlorenen Schlacht im Dreissigjährigen Krieg auf die Besitztümer in Ostpreussen zurückzogen, dort neu orientierten und das Königreich Preussen gründeten. Dies geschah in der dortigen Hauptstadt, die man daher Königsberg nannte (Heute die russische Enklave Kaliningrad). Von dort aus expandierte man wieder zurück auf die weiter westlich gelegenen Besitztümer in Brandenburg und vergrösserte das Königreich kontinuierlich, bis es unter vielen anderen deutschsprachigen Königreichen, Fürstentümern und Grafschaften zum grössten und stabilsten wurde, aber dennoch souverän und unabhängig blieb.

So war das frühere Preussen zwar auch Ideen aus dem Westen nicht abgeneigt (man schätzte französische Sprache und Philosophen), jedoch mental eher östlich geprägt. Weite Teile Preussens gehören heute zu Polen oder Russland und waren auch damals multiethnisch bewohnt, etwa von deutschsprachigen Menschen und auch einem grossen Anteil ethnischer Polen, Russen, Balten, Slawen und Schweden. Einen deutschen Nationalismus gab es zu jener Zeit nicht, man war halt Presse in Preussen. Entsprechend war man den Bevölkungsanteilen entsprechend mental eher dem Osten zugewandt. So war auch Katharina II „die Grosse“ (russische Zarin) eine preussische Prinzessin, die im damals preussischen Stettin (heute Polen und in Szczecin umbenannt) geboren wurde und nicht die einzige bedeutende Person Russlands mit deutscher Abstammung. Viele bedeutende Personen polnischer oder russischer Abstammung lebten auch in Preussen oder dienten in der preussischen Armee. Polnische und russische, aber auch schwedische Namen sind noch heute verbreitet.

In den napoleonischen Kriegen kämpften Preussen und Russen gemeinsam gegen Napoleon. Zu Napoleons Zeiten waren die linksrheinischen deutschen Staaten sowie Bayern und Sachsen mit Frankreich verbündet, Preussen mit Russland. Schon damals gab es also Unterschiede zwischen den deutschsprachigen Völkern des Westens und des Ostens,nur andere als heute. Zu Beginn der napoleonischen Zeit existierte auch noch das aus dem Mittelalter übernommene deutsche Kaiserreich mit Sitz des letzten Kaisers in Wien. Politische Macht hatte dieser Kaiser allerdings nur noch in dem direkt Österreich engegliederten Regionen Ungarn, Norditalien und Teilen des Balkan bis zu Teilen der heutigen Ukraine. Die übrigen Königreiche und Fürstentümer führten eher ein eigenständiges Dasein. Auf Druck Napoleons musste der letzte Kaiser des deutschen Gesamtreichs jedoch abdanken und das Reich bestand nicht einmal mehr auf dem Papier. Die Kaiserwürde über Österreich und die direkt angeschlossenen überwiegend nicht deutschsprachigen Gebiete blieb allerdings.

Einen ersten Anlauf zur Neugründung eines Nationalstaats gab es, als 1848 dem preussischen König von den Bürgern die Kaiserwürde angeboten wurde, die dieser jedoch ablehnte. Ein Kaiser von Volkes Gnaden wollte er nicht sein, denn der Hochadel gründete seine Rechte als allein von Gott gegeben. Doch der Gedanke war geweckt und in den deutschsprachigen Gebieten begann der aufkeimende Nationalismus. Mit dem deutschen Nationalismus allerdings keimten auch nationale Gefühle anderer auf gleichem Gebiet lebender Volksgruppen auf und damit Konkurrenz, Eifersucht, schleichende Ausgrenzung und Neid. Dennoch verfolgte Bismarck damals die Gründung eines deutschen Reiches weiter, allerdings ohne Beteiligung oder gar Führung durch Österreich. Nach drei zielgerichteten Kriegen gegen Österreich (um die Vormacht), Dänemark (um die Herzogtümer Schleswig und Holstein) und gegen Frankreich. Im Krieg gegen Frankreich (Frankreich hatte Preussen wegen Streit um die Thronfolge den Krieg erklärt) kam es erstmals zu einem Verbund aller deutschen Staaten (mit Ausnahme Österreich) und am Ende stand daher die Reichsgründung 1871 und die Kaiserkrönung durch den Adel.

Zu Bismarcks Zeiten waren auch das neue Deutsche Reich mit dem russischen Zarenreich sowie mit Österreich und dem Osmanischen Reich (Türkei) verbündet, um ein Gegengewicht zum westeuropäischen Bündnis Entente zu bilden, ein Gleichgewicht der Kräfte zu sichern und damit einen grossen Krieg in Europa zu verhindern. Leider liess sich der letzte deutsche Kaiser Wilhelm II durch ein Flottenabkommen mit den Briten dazu verleiten, das Bündnis mit Russland nicht zu verlängern, so dass das Bündnis, dem Deutschland angehörte, schwächer wurde und Russland ohne Bündnispartner gefährdet sah. Es kam, wie es kommen musste, Russland trat dem anderen Bündnis Entente bei und das Gleichgewicht war endgültig zerstört. Das war der Grundstein für den ersten Weltkrieg, der durch die neue Allianz Russlands mit der Entente unter Führung von Grossbritannien und Frankreich nun für diese führbar und sogar gewinnbar wurde. Es fehlte nur noch der entscheidende Auslöser und der kam dann auch 1914 mit der Ermordung des Thronfolgers von Österreich in Sarajewo durch Attentäter aus dem schon damals traditionell mit Russland verbündeten Serbien. Die grosse Kriegsgefahr kam also bereits damals nicht aus dem Osten, sondern aus dem Westen.

Ergebnis des Ersten Weltkriegs war, dass alle europäischen Kaiserreiche zerstört wurden und deren Gebiete sich deutlich verkleinerten, also der Einfluss dieser vorherigen Grossmächte deutlich zurückging und damit Europa spürbar auf globaler Bühne geschwächt wurde. Ausnahme bildete einzig das britische Empire, dessen Kaiserkrone Indien betraf und dessen Macht ebenso deutlich wuchs wie die der noch jungen USA. Das russische Zarenreich zerfiel und durch den diktierten Frieden von Brest-Litowsk wurden Regionen, die über Jahrhunderte russische Provinzen waren, plötzlich erstmals in ihrer Geschichte unabhängig. Polen entstand nach langer Teilung als Staat neu. Doch schon durch die teilweise willkürliche Grenzziehung waren spätere Konflikte bereits vorprogrammiert. Der zweite Weltkrieg war also bereits absehbar.

Was Deutschland betrifft, so hatte man früher (zu Kaiser’s Zeiten) noch den Spruch „Der Russe ist unser Freund, der Franzose unser Erzfeind“, doch von den Menschen, die ihn noch in ihrer Jugend lernten, lebt heute niemand mehr. Inzwischen hatte sich im Westen Deutschlands nach vielen Mühen eine Annäherung an Frankreich gebildet, im Osten eher an die Sowjetunion. Interessanterweise hat man im Westen Deutschlands nach dem zweiten Weltkrieg die unter westlicher Besatzung stehenden deutschen Regionen „amerikanisiert“ und an die westlichen Staaten angeglichen, während man in der von der Sowjetunion besetzten Region die DDR gründete und den Menschen dort ihre deutsche Kultur und Mentalität liess. Ablesen konnte man das auch sehr gut an den Uniformen der Soldaten, denn während die Bundeswehrsoldaten sehr ähnlich den US-Truppen aussahen, hatte man in der NVA (Nationale Volksarmee) der DDR eigenständige Kleidung. Im Westen erzog man den Deutschen das Nationalgefühl in langen Jahrzehnten immer mehr ab, im Osten förderte man es. Über nähere Strategien hier wie dort mag man streiten, aber das ändert nichts an den Effekten. Im Osten ist man nach wie vor weitgehend deutsch, während man im Westen nicht mehr weiss, was das überhaupt anderes bedeutet als Bier, Sauerkraut und Currywurst.

Doch um noch einmal in der Geschichte zurückzugehen, kan man sich schon die Frage stellen, warum es im Osten des deutschsprachigen Raums gelungen ist, einen mit der Zeit grösser und bedeutender werdenden Staat wie Preussen aufzubauen und im Westen stets der Bedarf latent vorhanden war, von Anderen geführt und geleitet zu werden. Um den Rhein herum waren es sogar noch die alten Römer, die einen Teil der dortigen Einwohner zu willigen Vasallen machen konnten, auf der anderen Seite des Rheins aber nichts dauerhaft erobern konnten. Denn auch im Osten gab es durchaus Verdrängung und Eroberung, denn dort waren weite Gebiete östlich der Elbe slawisch besiedelt. Offenbar entwickelten sich die germanischen Stämme gemeinsam mit slawischen Völkern anders als gemeinsam mit romanischen und die Unterschiede in der Mentalität kommen unterschwellig auch heute noch zum Tragen, so dass manche Gemeinsamkeit oft leider untergeht und zu wenig Beachtung und gegenseitigen Respekt findet, um tatsächlich von einer echten Vereinigung sprechen zu können.

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