Die UNO und zwei Friedenspläne


Zum ersten Jahrestag des momentan laufenden Ukraine-Krieges stimmt die UN-Vollversammlung über eine Resolution ab. Die Mehrheit fordert den Abzug Russlands aus der Ukraine. Gleichzeitig wird ein Dokument als „Friedensplan“ vorgelegt, das durchaus einiges an Brisanz enthält und Forderungen erhebt, die Russland weder erfüllen will noch erfüllen kann. Man vergisst wieder einmal, einige Dinge zu berücksichtigen, die den momentanen Konflikt erst ausgelöst hatten und ihn nun verlängern.

Für die Ukraine beginnt jede Bereitschaft, überhaupt zu verhandeln, damit, dass Russland zuerst alle Truppen aus allen Gebieten abzieht, die man in Kiew beansprucht, also inklusive des Donbass und der Krim. In beiden Regionen haben sich die Bewohner selbst für eine Loslösung von der Ukraine und den Anschluss an Russland entschieden, im Donbass hat man vor dem dann erfolgten Anschluss acht Jahre lang verlustreich gekämpft und wurde acht Jahre lang fortwährend beschossen. Würde sich Russland aus dieser Region zurückziehen, befänden sich deren Einwohner in höchster Gefahr, zumal sie als ethnisch russisch laut ukrainischer Gesetzgebung den niedrigsten Stand unter den Bewohnern hätten und nicht einmal zu der mittleren Kategorie der „einheimischen Völker“ zählen. Man lässt ihnen lediglich die Alternative, das Land ihrer Vorfahren zu verlassen. Ähnlich würde es der Mehrheit der Einwohner der Krim ergehen, die bleiben können und ihre Identität aufgeben müssen oder ausreisen müssen. In einem künftigen EU- und NATO-Staat würden millionen Einwohner über Nacht zu Feinden ihrer Freunde und Verwandten jenseits der Grenze zu Russland und müssten im Konfliktfall gegen diese kämpfen.

In Russland selbst bedeutet der Verlust der Krim den Verlust des Haimathafens der Schwarzmeerflotte und im Schwarzen Meer nur noch eine Statistenrolle gegen eine übermächtig werdende NATO sowie den Verlust der Verteidigungsfähigkeit von See aus. Der Verlust des Donbass brächte Moskau in Schussweite für Mittelstreckenraketen der NATO und da der Dnjepr die letzte natürliche Verteidigungslinie nach Osten ist, den Verlust der Verteidigungsfähigkeit nach Westen. Innenpolitisch würde es sich verheerend auswirken, wenn Millionen russische Menschen im Stich gelassen würden und das Land in eine militärische Bedrohungslage gerät wie seit 1942 nicht mehr und die Bedrohung aus der gleichen Richtung käme wie damals. Es ginge für Russland dann bei gerade erst erlittenem Machtverlust um die nackte Existenz als Staat.

Beide Szenarien sind für Russland unannehmbar, für den Westen aber Grundbedingung dafür, über Frieden auch nur zu verhandeln. Man will eine vollständige Unterwerfung und bedingungslose Kapitulation und sagt dies sogar ganz offen.

Allerdings ergeben sich bei aufmerksamem Lesen der Punkte auch einige Kritikpunkte, so dass es am Ende eher weniger klar bleibt. So sollen mutmassliche Kriegsverbrechen Russlands möglichst hart bestraft werden, ukrainische Verbrechen aber gar nicht erst untersucht werden. Auch die Vorgeschichte soll gar nicht erst untersucht werden, kommt in dem Friedensplan nicht einmal vor. Was man ausserdem vermisst, wäre eine einzige Resolution gegen die Ukraine, die zwischen 2014 und 2022 ständig Wohngebiete im Donbass beschossen hatte oder wenigstens eine Verurteilung. Nichts davon gab es je in dieser UNO. Auch gab es nie Kritik der Vereinten Nationen daran, dass es seit 2014 massive Unterstützung, Aufrüstung und Hilfe an Kiew gab, gegen Teile der eigenen Bevölkerung zu kämpfen. Der Putsch 2014 in Kiew wurde nie verurteilt, die Putschregierung von den meisten Ländern sehr schnell anerkannt und jede Kritik daran Terrorismus gleichzusetzen. Es bleiben starke Kritikpunkte und viele Fragen offen und die Menschen im Donbass fühlen sich von der UNO schlicht und einfach ignoriert.

Dem Westen dürfte die Zahl der Zustimmer allerdings genügen, um eine eigene Unterstützung der Ukraine und den eigenen #Kriegskurs mit dieser „internationalen Meinung“ weiter zu rechtfertigen, was wahrscheinlich auch der Sinn der Veranstaltung sein dürfte. Eine mehrheitliche Resolution setzt Russland (scheinbar) ins Unrecht, legitimiert (scheinbar) alle antirussischen Massnahmen und einer weiteren Eskalation steht nichts mehr im Weg. Die „Weltgemeinschaft“ will es so und alles, was der Westen nun tut, verkauft man der Welt als internationalen Auftrag, sich selbst als den Retter der Welt.

Auf der UNO Vollversammlung hat man auch wohlweislich die deutsche Aussenministerin Baerbock quasi in letzter Minute dazu eingesetzt, als letzte zureden, so dass keine Entgegnungen mehr, etwa durch China oder Russland möglich waren. Anders als in jedem Gerichtsprozess, in dem der Angeklagte noch in einem letzten Wort reden darf, tat dies hier eine der schärfsten Anklägerinnen auf einer eher an einen Schauprozess düsterer Zeiten erinnernden Veranstaltung und das auch noch in passendem ideologisch aufgeheiztem Stil. Man liess das „Kanonenboot Baerbock“ wild in die Reihen der Delegierten ballern und das in einer Argumentation (besser Agitation), die jeden, der nicht in genehmer Weise stimmt, von vornherein in Unrecht, Schuld und Komplizenschaft setzt.

Der zweite Friedensplan kommt aus China

Der bereits vorher mehrfach angekündigte Plan Chinas für eine Friedensinitiative kann allerdings durchaus als „letzte Verteidigung des Angeklagten“ gewertet werden. Der Plan kam zwar erst nach der Abstimmung, doch nun ist man weltweit dennoch faktisch gezwungen, beides im Kontext zu sehen.

Der chinesische Plan sieht wiederum völlig andere Punkte vor und anders als das Zwangsdiktat des Westens kommen hier Punkte vor, die gegenseitige Kompromissbereitschaft fordern, aber auch gegenseitige Sicherheit garantieren sollen. China sieht vor allem einen Waffenstillstand vor, noch bevor man alsbald beginnt, miteinander zu reden. Hier geht es nicht um bedingungslose Kapitulation, sondern darum, einen für beide Seiten gangbaren Weg aus dem Konflikt zu finden, bei dem auch alle Beteiligten das Gesicht wahren können und hinterher in Sicherheit voreinander leben können. Um Sicherheit sollte es vor allem auch gehen und nicht darum, einem Gegner möglichst schwer zu schaden.

Das sind auch die unterschiedlichen Kriegsziele Russlands und des Westens, wenn man deren eigene Worte vernimmt und glaubt. So ging es Russland immer um die Sicherheit der Menschen im Donbass und der Sicherheit des eigenen Landes und dem Westen immer darum, das eigene Militär möglichst nah an Russland heran zu bekommen, am besten so nah, dass eine Verteidigung kaum noch möglich sein dürfte. Ob sich das auch tatsächlich so oder ähnlich verhält, kann man am besten feststellen, wenn man sich die Landkarten ab 1990 anschaut, die NATO-Expansion, die Entwicklung in der Ukraine und die Berichte aus beiden Perspektiven aufmerksam durchgeht. Jede Seite berichtet natürlich aus der eigenen Perspektive und Objektivität entsteht dadurch, diese ergebnisoffen gegenüberzustellen und sich ein eigenes Bild zu formen.

Nach augenblicklichen Erkenntnissen darf man davon ausgehen, dass der Plan des Westens für Russland niemals annehmbar sein dürfte, weil man dann das eigene Land nicht mehr schützen kann und Millionen Menschen verraten müsste) und der chinesische Plan im Westen unannehmbar erscheint, weil es darin keine vollständige Niederlage Russlands gibt, keine Ukraine in der NATO und keine NATO-Waffen in Schussweite zu Moskau.

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